Wir wollen nicht das Denken, das Kunsthistoriker denken.
Oder die Historiker.
Die wollen alle nur verstehen.
Aber wir, wir wollen nicht verstehen!
Das heißt, wir suchen nicht zu ergründen, warum etwas geworden ist, wie es ist.
Wir wollen wissen, wie es ist. Oder wie es aus unserer Sicht in unserem Denken sein könnte.
Nous ne voulons pas comprendre!
Nicht Sie, das Publikum, und auch nicht die Künstler wollen wir verstehen.
Machen Sie was Sie wollen, wir werden tun, was wir für uns richtig halten.
Wir sind Relativisten. Wir sind Vertreter eines individualistischen Relativismus.
Und wir haben die Differenz für uns gepachtet und wir sind die Toleranz.
Wir wollen nicht die ultimative historisch-kausale Herleitung der Kunstwerke aus den nicht-darstellbaren Urgründen und Subgründen der stummen Reiche der Emotionen. Das ist die unlösbare und wenig beneidenswerte Aufgabe vieler Historiker, die ihr Lebenswerk mit dieser Arbeit verbringen…
… und des optimistischen Hermeneutikers, der auslegt und interpretiert, der die stumme allzeitliche Menschlichkeit zur Übergröße des Verstehens heranzieht.
Wir wollen nicht sagen müssen: „Sie malte dieses Bild, weil sie in Liebe war.“ „Er meißelte die Skulptur in der Phase schlimmster Abhängigkeit von bestimmten Pilzgerichten.“ „Ihre Kindheit war schlimm. Aufgewachsen in einem Haus von kontinuierlichen Konsumenten alkoholischer Getränke und antiautoritären Vorlieben. Deswegen der Hang zu dem fröhlichen, sommerlichen Gelb in ihren Kunstwerken.“ Das Menschliche ist eine Luftgestalt, die zu erklären scheint, was wir nicht zu erklären wagen.
Das ist die Arbeit anderer.
Wir befragen ein Kunstwerk, wie es in einer Gesellschaft steht und welche Relationen es zur Wirklichkeit, zum Künstler, zum Betrachter und zu seinem Diskurs ausbildet. Ist ein Kunstwerk „diktatorisch“, weil es nur einen Sinn zuläßt, den der Autor vorgibt? Oder ist es „demokratisch“, weil es dem Betrachter die Freiheit läßt, den Sinn über dieses Kunstwerk selbst zu bilden? Unser Anspruch ist ästhetisch, kognitiv und politisch zugleich.
Stefan Lindl