Ungeheure Bearbeitungsgebühren. (Aber natürlich geheim, nö)
Gigantische Rettungssummen (Multibillionendollarsummen)
Repackage
Den Kurs halten
Plan für eine „Bad Gallery“ zur Stabilisierung und Konsolidierung des Kunstmarktes (Courtesy of Galerie Royal, Munich)
[edit] A) Der Kunstmarkt
Der Kunstmarkt – und ganz besonders der Markt für Gegenwartskunst – ist einer der unkontrollierbarsten und spekulativsten Märkte überhaupt. Mehr als allen anderen Märkten fehlt ihm eine Grundlage „objektiver“ Werte, anders als in allen anderen Märkten sind hier die Werte und Preise ausschließlich Ergebnis von Zuschreibungen und Übereinkünften. Während die Bewertungen und Preise von Gegenwartskunst kurzfristig durchaus anfällig für Manipulationen, Absprachen, Kartellbildungen und Insidergeschäfte sind, unterliegen sie langfristig tendenziell unvorhersehbaren und eher schwierig zu beeinflussenden Entwicklungen, die mit Prozessen der Kanonisierung und der Selektion zu tun haben.
Angesichts solcher Grundbedingungen mußte das enorme Wachstum dieses Marktes in den letzten Jahren schon vor der allgemeinen Finanzkrise Anlaß zur Beunruhigung geben. Beispielsweise konnte der „Art Market Research Art 100“ Index, der die Auktionsergebnisse der 100 weltweit meistgehandelten Künstler verzeichnet, über fünf Jahre ein durchschnittliches jährliches Plus von 23% verzeichnen (im Vergleich zum „S&P“ Index mit „nur“ 5,6%; Quelle: Credit Suisse). Artprice.com zufolge stieg der Preisindex für zeitgenössische Kunst zwischen Juli 1991 und Juli 2008 insgesamt um 132%! Besonders eindrücklich zeigt sich die Marktentwicklung bei Kunstwerken, die wiederholt zur Auktion gelangten: hier lag die Wertsteigerung über 10 Jahre im Niedrigpreissegment (<5.000 €) bei 47,9% (1997-2008), im Hochpreissegment (>50.000 €) bei 589%!
Der verhältnismäßig neue Auktionsmarkt für chinesische Gegenwartskunst wuchs innerhalb eines einzigen Jahres (2007/2008) um ganze 69,5% (!) und gleich drei chinesische Künstler schafften es gewissermaßen aus dem Stand in die von artprice.com ermittelten internationalen „Top 10 Contemporary“ Auktionskünstler des Jahres (2007/2008). Es sollte klar sein, daß auch der westliche Markt für Gegenwartskunst die extremen Schwankungen und Verwerfungen des chinesischen zu spüren bekommt, eines Marktes, den das Wirtschaftsmagazin Forbes wegen zahlreicher systemischer Fälle von Manipulation und Korruption bereits mit einem Ponzi-Scheme verglichen hat.
Wie unschwer zu erkennen ist, befand sich der Markt für Gegenwartskunst bereits unabhängig von der allgemeinen weltweiten ökonomischen Krise in einer vollkommen überhitzten und höchst fragilen Situation.
[edit] B) Die Krise
Bekanntermaßen ist der Markt für Gegenwartskunst im Zuge der allgemeinen Finanzkrise seit September 2008 rapide und gründlich eingebrochen. Konservative Schätzungen gehen von einem Preisverfall für bildende Kunst von mindestens 40% aus (Quelle: Larasati Auctioneers, Singapore). Der Zusammenbruch betrifft auch die ehemals so vielversprechenden „Neuen Märkte“ für Kunst (China, Indien, Russland). Der chinesische Auktionsmarkt brach in der zweiten Hälfte 2008 im Vergleich zum Vorjahr um über 50% ein (Quelle: artprice.com). Die „Neuen Sammler“ aus Russland sind inzwischen so gut wie komplett verschwunden, ebenso wie jene aus dem Finanzsektor. Bei Auktionen erzielen selbst Arbeiten von Kunstmarktstars wie Damen Hirst häufig nicht einmal mehr den unteren Schätzpreis; Arbeiten werden hier zum Teil nur noch für einen Bruchteil der letzten Galerie- oder Messepreise losgeschlagen (vgl. Jake&Dinos Chapman beim Christies Charity Sale im März 2009). Die verbleibenden Sammler ziehen sich auf bewährte, konservative Anlageformen zurück: die letzte TEFAF (Amsterdam) hat gezeigt, daß gerade der Handel mit alten Meistern von der Krise profitiert. Für die zeitgenössichen Künstlerinnen und Künstler, die Galerien und Auktionshäuser für zeitgenössische Kunst aber ist diese Entwicklung eine Katastrophe.
Interpretationen des Geschehens wie jene über die „Gesundschrumpfung“ des Marktes, die „Wertkorrektur“, eine „Rückkehr der Qualität“ oder eine Ausdifferenzierung des Marktes zwischen „schlechten“ spekulativen und „guten“ leidenschaftlichen Sammlern, sind nichts weiter als ein Pfeifen im Walde und werden bald verstummen. Die Realität ist: die Umsätze für zeitgenössische Kunst brechen im Hochpreis- wie im Niedrigpreissegment massiv ein. National und international müssen Galerien schließen. In den größeren Galerien wird massiv Personal abgebaut. Ausstellungen werden abgesagt. Kürzlich stolz eröffnete Dependancen werden vielfach erfolglos wieder eingestellt (vgl. Yvon Lambert in London). Dazu verschwanden bereits zahlreiche Kunstmessen von der Landkarte (z.B. International Asian Art Fair/NY, Art Salzburg, Art Cologne Palma de Mallorca, Salzburg World Fine Art Fair), auch die deutsche Messelandschaft ist schwer getroffen (z.B. dc duesseldorf contemporary, Frankfurt Fine Art) und ein Ende des Tunnels ist nicht abzusehen. Das amerikanische Museumssystem, das wesentlich auf Kapitaleinkünfte und Spenden angewiesen wäre, steht kurz vor dem Zusammenbruch, und auch deutsche Museen finden kaum mehr Sponsoren.
[edit] C) Die Relevanz
Der internationale Kunstmarkt hat derzeit ein Volumen von (sehr konservativ geschätzt) ca. 40 Milliarden EUR. In Europa sind (nach einer Enquêtestudie des Bundestages) ca. 6 Millionen Beschäftigte in der Kultur- und Kreativwirtschaft tätig und generieren dort einen Umsatz von 654 Milliarden EUR. In der Bundesrepublik Deutschland betrug der Beitrag der Kulturwirtschaft (lt. Arbeitskreis Kulturstatistik e.V., 2004) zur Bruttowertschöpfung 36 Milliarden EUR, das entspricht 1,6% des BIP – die Kulturwirtschaft wäre demnach vom Volumen her relevanter als die Energiewirtschaft. Als Gesamtzahl für die im Bereich der Kulturwirtschaft Erwerbstätigen ist von 800.000 Personen die Rede; die meisten davon mit höheren Bildungsabschlüssen und selbstständig oder im Rahmen von Kleinunternehmen tätig.
Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist unzweifelhaft ein bedeutender Wirtschaftsfaktor mit einem großen wirtschaftlichen und kreativen Potenzial. Die stark interdependenten Bereiche der Kultur- und der Kreativwirtschaft müssen als eine wissensintensive Zukunftsbranche mit erheblichen Innovations-, Wachstums- und Beschäftigungspotenzialen gesehen werden. Von ihr gehen wichtige Impulse für Innovationen auch in anderen Wirtschaftsbranchen aus. Eine intakte Kultur- und Kreativwirtschaft und ein florierender Kunstmarkt sind bedeutende Assets für den Standort Deutschland und auch für die internationale Wahrnehmung Deutschlands als hochentwickelte und zukunftsfähige Wissensgesellschaft und Kulturnation, die potenziellen Investoren ein innovatives und anregendes Umfeld bieten kann.
Noch steht die Bundesrepublik anteilsmäßig an vierter Stelle des weltweiten Kunstmarktes (lt. TEFAF Report 2009). Um diese Position im Angesicht der geschilderten Krisensituation zu halten oder mittelfristig sogar auszubauen bedarf es dringend staatlicher Hilfe für die Branche, deren Bedeutung für die Gesamtwirtschaft des Landes nicht unterschätzt werden darf. Großbritannien hat bei diesem Ansatz Vorbildcharakter durch das „Own Art“ Programm des Art Council England, bei dem über angeschlossene Galerien zweckgebundene und zinsfreie Kleinkredite für den Erwerb von Werken zeitgenössischer KünstlerInnen an Endverbraucher vermittelt werden (www.artscouncil.org.uk/ownart/index.html). Bis jetzt konnten mit diesem Instrument 10 Millionen Pfund an Umsätzen generiert werden. Ermutigt von dieser erfolgreichen staatlichen Intervention auf dem Kunstmarkt, jedoch überzeugt, daß angesichts der Dimensionen der Krise eine angebotsseitige Unterstützung gefordert ist, schlagen wir folgenden Unterstützungsplan für den deutschen Kunstmarkt vor: Die Einrichtung einer „Bad Gallery“.
[edit] D) Die Bad Gallery
Die „Bad Gallery“ ist benannt und konzipiert analog der derzeit auch für Deutschland geplanten Einrichtung von sog. „Bad Banks“: staatlich abgesicherte Finanzinstitute zur Aufnahme von Derivaten und Zertifikaten von in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Emittenten und zur Abwicklung notleidender Kredite von sanierungsbedürftigen Banken. Entsprechend diesem erfolgversprechenden Konzept soll eine ebenfalls staatlich finanzierte „Bad Gallery“ die Bilanzen der Kunstmarktakteure (vor allem Galerien und Auktionshäuser) um jene Kunstwerke erleichtern, für die sich in der momentanen angespannten Situation keine Abnehmer finden lassen („Toxic Art“).
Die Bad Gallery übernimmt diese Kunstwerke gegen Zahlung des aktuellen Nominalwertes der Arbeiten. Das Risiko möglichen späteren Wertverlustes, aber auch die Chance auf zukünftige Wertsteigerungen, trägt die Bad Gallery. Hierbei wird davon ausgegangen, daß die betreffenden Kunstwerke zwar momentan mangels Nachfrage nicht verkäuflich sind, aber dennoch einen (bleibenden) Wert haben. Ergebnis dieses Transfers wäre eine echte Win-Win-Situation.
Die Galerien, Auktionshäuser und Kunsthändler können sich von den derzeit unverkäuflichen Kunstwerken befreien und (je nach Geschäftsmodell) bislang gebundenes Kapital freisetzen bzw. eine absolute Kapitalerhöhung verbuchen. Sie gewinnen neuen Spielraum, um dem Abwärtstrend der Branche entgegenzuwirken und können beispielsweise in Werbemaßnahmen, räumliche Erweiterungen oder neue Dependancen, in Personal oder in die Teilnahme an Kunstmessen investieren – Investitionen, die sowohl zur Belebung des Kunstmarktes, als auch allgemein zur Konjunktur beitragen. Für die allgemeine Konjunktur von Relevanz ist auch derjenige Anteil am Erlös, der an die Künstlerinnen und Künstler weiterfließt und der – angesichts der häufig prekären Lebensverhältnisse dieser Gruppe – beinahe in voller Höhe und sofort zur Steigerung der Binnennachfrage beitragen dürfte.
Die Bad Bank wiederum (d.h. der Staat bzw. die Gemeinschaft der Steuerzahler, die diese finanzieren) gewinnt zunächst eine umfangreiche und vielseitige Sammlung von Kunstwerken lebender Künstler und KünstlerInnen, deren Wiederverkaufswert im Mittel voraussichtlich mindestens in dem Maße wieder steigen wird, in dem sich der Kunstmarkt erholt und erneut an Dynamik gewinnt. Gerade durch die Vielseitigkeit des Portfolios bestehen realistische Chancen auf eine langfristig sichere und gewinnbringende Anlage. Falls man sich entschließen sollte, die Sammlung vorübergehend oder dauerhaft öffentlich zugänglich zu machen, könnte nebenbei eine der umfassendsten und bedeutendsten Ausstellungsstätten für Gegenwartskunst entstehen, von großer internationaler Strahlkraft und mit bedeutenden Impulsen für Tourismus und regionale Wirtschaftsentwicklung (Möglichkeit der Förderung strukturschwacher Gebiete).
Einen vorläufigen Business- bzw. Kostenplan werden wir vorlegen, sobald wir ein Signal prinzipiellen Interesses seitens des Wirtschaftsministeriums, des Finanzministeriums und des Bundeskanzleramtes erhalten haben, denen dieser Vorschlag in den nächsten Tagen zugehen wird.